Erzbischof Dr. Thomas Nörber

Am 27. Juli jährte sich zum einhundertsten Male der Todestag von Erzbischof Dr. Thomas Nörber, der in Waldstetten geboren, einige Jahre als Pfarrverweser in Hardheim gewirkt und 1898 zum Metropoliten der oberrheinischen Kirchenprovinz gewählt wurde. Er verkörpert den Aufstieg aus ärmlichen und einfachen Verhältnissen bis zu einem Spitzenamt in unserer Gesellschaft des 19. Jahrhunderts. Wir wollen diesem großen Sohn des Baulandes gedenken und beleuchten in zwei Teilen das Leben und Wirken des Kirchenfürsten als Seelsorger und Bischof.

Geboren wurde Thomas als Erstgeborener der Eheleute Gottfried und Magdalena Nörber; drei Brüder und drei Schwestern sollten ihm noch folgen. Und in den Kirchenbüchern der Pfarrgemeinde Waldstetten ist über den Tag seiner Geburt vermerkt:

„Im Jahre eintausend achthundert sechs und vierzig am neunzehnten Dezember Abends nach drei Uhr wurde dahier geboren und tags darauf Mittags um zwölf Uhr vom Unterzeichneten in der Kirche getauft: Thomas, ein ehelicher Sohn der hiesigen Bürgers und Schneidermeisters Gottfried Nörber und seiner Ehefrau Magdalena, geborene Herold von hier. Taufpate war: Stephan Horn, Bürger und Bauer dahier. Zeugen waren: Johann Dörr und Johann Peter Herold, beide hiesige Bürger und Bauersleute. Waldstetten am 20. Dezember 1846. T.J.A. Heffner, Pfr.“

Thomas wuchs in einem christlichen Elternhause auf und täglich wurde gemeinschaftlich das Morgen- und Abendgebet sowie der Rosenkranz gebetet. In der Pfarrgemeinde herrschte seinerzeit die Sitte, dass auch in der arbeitsreichsten Zeit des Jahres täglich ein Familienmitglied zur heiligen Messe ging.

Neben der christlichen Erziehung legte sein Vater Wert auf Erlernung der Elementarkenntnisse, weshalb der kleine Thomas schon beim Eintritt in die Schule lesen konnte und seinen Alterskollegen voraus war. Schon da erkannte der damalige Ortspfarrer Lorenz Berberich das Talent des jungen Thomas Nörber. Er unterrichtete ihn zusätzlich und ermöglichte es, dass er mit 15 Jahren in die Obertertia des Gymnasiums in Freiburg eintreten konnte. Nach dem Theologiestudium von 1866 bis 1869 folgte der Eintritt in das Priesterseminar in St. Peter, wo er ein Jahr später am 24. Juli 1870 zum Priester geweiht wurde.

Am 30.7.1870 feierte er zusammen mit seinen Landsleuten Alois Heffner und Theodor Herold das seltene Fest, dass drei Primizen am gleichen Tag in derselben Pfarrkirche St. Justinus gefeiert wurden.

Er wirkte als Vikar in Neuhausen und Schwetzingen, dann als Kaplan in Mannheim (Jesuitenkirche) sowie als Pfarrverweser in Seckach und ein Jahr später in Hardheim vom 6. Dezember 1881 bis 8. Oktober 1888 und danach bis 31.7.1889 in Baden-Baden-Lichtenau. Erst 1889 in Thiergarten im Renchtal wurde er erstmals zum Pfarrer bestellt. Zwei Jahre später trat er die Stelle als Klosterpfarrer und Beichtvater an die „Lehranstalt der Chorfrauen vom Heiligen Grab“ in Baden-Baden an. Dort erreichte ihn völlig überraschend die Nachricht, dass er vom Domkapitel zum Erzbischof gewählt und Papst Leo XIII. die Ernennung bestätigt habe.

Nörber ist bis heute der einzige Erzbischof von Freiburg, der sich weder in der Wissenschaft noch in der Kirchenhierarchie einen Namen oder eine gehobene Funktion erworben hatte. Die Wahl dieses einfachen, in der Öffentlichkeit kaum bekannten, Pfarrers Nörber war vermutlich das Ergebnis politischer Schachzüge, denn mit einem kränklichen und schwachen Erzbischof wollte man dem Wunsch der großherzoglichen Regierung nach einer politisch nicht interessierten Person nachkommen und zum anderen vermutlich auch eigene Interessen des Domkapitels, die Kirchenleitung selbst in die Hand zu nehmen, sichern.

Die feierliche Konsekration und Inthronisation des Erzbischofs erfolgte am 29. September 1898 im Freiburger Münster. Konsekrator war der Mainzer Bischof Paul Haffner, assistiert vom Freiburger Weihbischof Justus Knecht (der sich eigentlich eigene Hoffnung auf den Bischofstuhl machte) und dem Limburger Bischof Dominikus Will.

Nach seiner Inthronisation ergriff der neue Erzbischof jedoch entschlossen und mutig die Regierung in seiner Diözese. In der Zeit seines Episkopats wurden zahlreiche Kirchen erbaut und neue Pfarreien und Kuratien gegründet. Für den Klerus schuf er einen Pensionsfond, erließ einheitliche Kapitelstatuten und regelte die Durchführung von Pfarr- und Kirchenvisitationen neu. In 1911 wurde auf seine Initiative hin das Missionsinstitut (heute Seelsorgeamt) sowie der Caritasverband gegründet. In 1916 gründete er mit der Zeitschrift „das Konradsblatt“ das heute noch bestehende, offizielle Presseorgan der Erzdiözese. Zwar waren schon vor seiner Zeit die Diskussionen über die Einführung einer Kirchensteuer geführt worden, die aber erst während seiner Regierungszeit  eingeführt, womit die kirchliche Finanzverwaltung gesichert wurde.

Zum Lebensende erlebte er nach dem Ersten Weltkrieg noch das Ende der Monarchie, die Gründung der Weimarer Republik und die verfassungsgemäß festgeschriebene Trennung von Kirche und Staat; allesamt große und grundsätzliche Veränderungen. Er starb am 27. Juli 1920 und wurde vor dem Sakramentsaltar im rechten Seitenschiff des Freiburger Münsters beigesetzt.

Dass Thomas Nörber den Mut hatte, entgegen der Meinung von Politik und Domkapitel, sich mit der Obrigkeit anzulegen und auch seine politische Ansichten zu vertreten, hätten die großherzog-lichen Behörden eigentlich schon aus seiner Zeit in Hardheim wissen müssen, denn dem Bezirksamt in Buchen lag eine Anzeige des Hardheimer Gendarmen Fischer vor, der berichtet hatte, dass Nörber in einer Predigt erklärte habe, dass man heutzutage in Deutschland „die Spitzbuben laufen“ lasse, während „man die Geistlichen, wenn sie Messen lesen, ins Gefängnis sperrt!“ Und auch persönlich wurde Dr. Nörber, weil er auf der Kanzel gesagt haben soll: „Der Polizeidiener ist nur da, um die Montur zu tragen!“ Bezirksamt und Ministerium für Justiz, Kultus und Unterricht missbilligten die Äußerungen des Hardheimer Seelenhirten, verhängten jedoch keine Sanktionen.

Erst kurz vor seinem Lebensende wurde mit der Wiederzulassung der männlichen Ordensgemein-schaften (ein wichtiges Anliegen Nörbers) der badische Kulturkampf endgültig abgeschlossen.

Nachdem im ersten Teil der Werdegang Nörbers als Priester und Bischof beleuchtet wurde, geht es jetzt Im zweiten Teil unserer Betrachtung des Lebenswerkes um seine Verbundenheit und die Treue zu seiner fränkischen Heimat.

Zu Beginn seiner Zeit als Pfarrverweser in Hardheim fand er die in 1615 erbaute Pfarrkirche schon fast abgerissen vor. Wegen Baufälligkeit hatte das großherzogliche Bezirksamt den Abriss angeordnet und die Pfarrgemeinde musste nunmehr ihre Gottesdienste in der Zehnscheune, im Schloss und auch in der St. Josephskapelle feiern. In der Zehntscheine, der heutigen Erftalhalle, standen aber im Raum die mächtigen Sandsteinpfeiler und erinnerten mehr an einen Fruchtspeicher denn an eine Fest- oder Versammlungshalle. Die St. Josephskapelle erwies sich für die Gottesdienste als zu klein und der weite Weg für die Gläubigen bei schlechter Witterung oft unzumutbar.

In dieser Zeit in Hardheim betrieb er nicht nur mit großem Engagement die „Volksmission“ sondern sammelte auch fleißig für den Neubau der Pfarrkirche, deren Baupläne er maßgeblich beeinflusst hatte. Dazu gründete er einen Kirchenbauverein und erreichte auch die behördliche Erlaubnis, alle Sonntage eine Kirchenkollekte abzuhalten. Zudem wurde vom Großherzoglichen Bezirksamt in Buchen eine jährliche Kirchenbauumlage erreicht, die bis 1889 erhoben, dann aber mit Rücksicht auf das neue Kirchensteuergesetz von 1888 eingestellt wurde. Erst nach seinem Weggang aus Hardheim wurde der Grundstein für die neue Kirche am 12. Juli 1891 gelegt. Ihm blieb es vorbehalten, als Erzbischof von Freiburg am 18. April 1899 die neue Hardheimer Kirche „St. Alban“ feierlich zu konsekrieren.

Und zwei weitere Gotteshäuser sind mit Nörbers Namen eng verbunden: Die Rüdentaler „Maria-Hilf“ Kapelle und die Filialkirche „Heilige Familie“ in Vollmersdorf. Um die Verwirklichung beider Kapellen bemühte er sich mit Energie und Ausdauer. Wegen des noch herrschenden Kulturkampfes in Baden war es gar nicht einfach, einen Sakralbau zu erstellen. Nur mit treffenden Argumenten konnte Nörber den Wunsch seiner Pfarrkinder verwirklichen; eine große Hilfe war dabei, dass die Bürger der beiden Filialorte eng zusammenstanden und durch Schenkungen den Bau auf eigenem Grund und Boden ermöglichten und zudem tatkräftige Fronleistungen erbrachten.

In Rüdental wurden schon in 1862 ernsthafte Bestrebungen unternommen, im Weiler eine Kapelle zu erbauen. Der großherzogliche Bezirksbauinspektor zu Gerlachsheim zeichnete bereits die Baupläne für eine Kapelle und erstellte dazu Kostenberechnungen. Infolge des badischen Kulturkampfes wurde der Plan jedoch durch die Behörden verworfen. Erst im März 1880 hob der badische Staat einen Teil der Kulturkampfgesetze auf und sofort begann man in Rüdental um die Genehmigung zum Bau anzusuchen. Überraschend schnell reagierten die Behörden auf diese Bitte. Das lag vor allem daran, dass die drei ledigen Geschwister Josepha, Ludwig und Franz Martin das Bauwerk auf ihren privaten Grund und Boden errichten und finanzieren wollten. Der seinerzeitige Pfarrer von Hardheim, Jakob Prailes, berichtete der erzbischöflichen Verwaltung, dass „die Kapelle zur Privatandacht bestimmt ist, wird der Altar deshalb auch kein Portatile (Altarstein) brauchen“. Sollte dennoch eine heilige Messe zu lesen sein, könne man einen Altarstein dorthin bringen. Weil es nach allgemeiner Ansicht eine private Kapelle war, konnte die großherzogliche Verwaltung leicht „über ihren Schatten springen“.

Im Jahre 1879 hatte nämlich die ledige Josepha Martin kurz vor ihrem Ableben eine Stiftung von 3.428,56 Mark zur Errichtung einer Kapelle gemacht, deren Baukosten aber auf 5.000 Mark veranschlagt wurden. Der ledige Bruder der Stifterin, Ludwig Martin, schoss der Stiftung weitere 1.571,44 Mark bei und gab zudem weitere 300 Mark dazu, um die Kapelle baulich zu erhalten. Den Bauplatz selbst hatten Franz Neuser, die ledigen Brüder der Stifterin Ludwig und Franz Martin sowie die Schäfereibesitzer der hiesigen Bürger geschenkt.

Mit dem Bau wurde in 1881 begonnen und sämtliche Rüdentaler unterstützen das Vorhaben durch Geldspenden und Fronleistungen. Als Nachfolger von Pfarrer Albert Jakob Prailes sorgte Thomas Nörber für die Einrichtung der Rüdentaler Kapelle. Er selbst ging von Haus zu Haus und bettelte die Beträge zusammen, die nötig waren, um all das anzuschaffen, was man zur Feier der hl. Messe brauchte. Es dauerte dennoch ein ganzes Jahr, und Pfarrverweser Nörber wandte sich erneut am 21.11.1882 an den Erzbischof und beantragte die Einweihung der Kapelle. Die erfolgte schließlich am 30.04.1883 durch den Ortsgeistlichen und auch der darin befindliche Kreuzweg facultate subdelegata (durch an ihn verliehene Vollmacht) cum adnexis indulgentiis (mit den damit verbundenen Ablässen)  wurde benediziert. Thomas Nörber war es schließlich vorbehalten, die ersten Gottesdienste in der neu erbauten Kapelle „Maria Hilf“ zu zelebrieren.

Die gleiche Situation ergab sich auch in Vollmersdorf. Auch dort gab es Bestrebungen, den Filialort der Pfarrei Hardheim mit einer eigenen Kapelle auszustatten. Franz Joseph Berberich hatte sich in 1879 bereit erklärt, seinen Garten kostenlos als Bauplatz für die Kapelle herzugeben und dazu noch eine Geldspende zu leisten. Bei geschätzten Baukosten von rund 6.000 Mark war dies eine beachtliche Maßnahme der seinerzeit 87 Einwohner. Die Pläne des Bautechnikers Lattner aus Mosbach fanden die obrigkeitliche Zustimmung und am 9. Juni 1880 konnte die feierliche Grundsteinlegung stattfinden.  

Zwar waren die Bauarbeiten mit der Glockenweihe am 4. November 1880 abgeschlossen, aber es fehlte nach wie vor die kirchliche Weihe (Benediction). Um in der schwierigen Zeit des badischen Kulturkampfes überhaupt eine Genehmigung zum Bau einer Kirche zu erhalten, war es notwendig, dass die Bürger von Vollmersdorf sie als nichtöffentliche Kapelle zur Privatandacht erstellten. Um aber dennoch darin eine hl. Messe lesen zu dürfen, brauchte man wiederum die Genehmigung durch den Bischof. Der erteilte weder die Zustimmung zu einem Altarstein noch zur Weihe des Kreuzwegs in der Kapelle. Genehmigt wurde allein die Weihe der beiden Glocken.

Hier kamen Mut und Hartnäckigkeit der Gläubigen, aber auch die Ausdauer und Schlagfertigkeit des Ortsgeistlichen zusammen und das schier Unmögliche gelang, wenn auch nach vielen Versuchen. Um behördlicherseits eine Baugenehmigung zu erhalten, musste die Kapelle eine nicht öffentliche Kapelle zur Verrichtung einer Privaztandacht (oratorium privatum). Eine richtige Kirche aber musste aus kirchlicher Sicht für alle offen sein (oratorium publicum). Dazu kamen aber die Wünsche aus dem Odenwald in dem Kirchlein auch einen Kreuzweg mit dem Recht der Ablassgewinnung zu errichten und gelegentlich eine heilige Messe zu lesen. Darum kam es immer wieder zu Rückfragen und zu einem langwierigen Austausch von Argumenten.

Die Vollmersdorfer hatten zusätzlich zu den Baukosten auch für fast 11.000 Mark eine schöne Innenausstattung, einen gotischen Altar, Heiligenbilder und einen Kreuzweg angeschafft. Der Bischof in Freiburg versuchte sich herauszuwinden, um den staatlichen Stellen keine Angriffsfläche zu bieten und empfahl den Kreuzweg von den Franziskanern von Miltenberg weihen zu lasen. Die sagten aber die Weihe erst dann zu, wenn die Kapelle offiziell geweiht sei. Mittlerweile wollten die Vollmersdorfer aber auch einen Hagelfeiertag. Endlich kamen Filialgemeinde und Pfarrverweser Nörber aus Hardheim zum Ziel. Der Gemeinderat beschloss, dass die Kapelle allen öffentlich zugängig sei und dass man für alle zusätzlichen Kosten aufkommen werde. Auch wurde ein sogenannter Hagelfeiertag am Fest Mariä Heimsuchung erlaubt. Nun konnte Thomas Nörber am 9. März 1882 die Filialkirche „zur Heiligen Familie“ feierlich einweihen. Zuvor, am 4. November 1880 waren schon die beiden Glocken des Kirchleins durch Kaplan Butz geweiht worden.  

In seinem Geburtsort Waldstetten als auch in Hardheim hatte Nörber jedoch als Priester und Bischof Spuren hinterlassen, die heute fast verblichen sind, aber dennoch in beiden Gemeinden über Jahrzehnte hinweg auch richtungsweisend waren.

So nutzte Dr. Thomas Nörber jede sich ihm bietende Gelegenheit, um in 1920 gegen die Pläne der Regierung zu kämpfen, die seinen Geburtsort und die Gemarkung Waldstetten zu einem Teil eines militärischen Schießplatzes machen wollte. Immer wieder beschwor er seine Landsleute ihr Eigentum nicht zu verkaufen und malte einen Sittenverfall durch die Stationierung von Soldaten an. Seinen Pfarrer beschwor er eindringlich, die Bürger gegen die Errichtung des Schießplatzes zu mobilisieren. Nachdem die Anlage eines Schießplatzes bei Villingen konkrete Formen annahm und der Bestand Waldstettens gesichert war, gewährte Nörber großzügige finanzielle Unterstützungen seiner Heimatgemeinde durch die Erzdiözese. Seine Heimatgemeinde benannte eine Straße nach ihrem großen Sohn.   

In Hardheim hinterließ er nach Informationen von Zeitzeugen überwiegend das Bild eines gestrengen Geistlichen. So berichtete Fabrikant Joseph Eirich, der als Ministrant bei Gottesdiensten in der Nähe des geistlichen Herrn wirkte:

„manch Althergebrachtes wurde sehr bald abgeschafft und an viel ungewohntes mussten sich die Erwachsenen, besonders aber die jungen Leute, oft mit Widerwillen gewöhnen. Die Christenlehrpflicht aller Volksschulklassen dauerte bis zum 20. Lebensjahr, was streng kontrolliert wurde, und Unfug wurde mit derben Ohrfeigen, manchmal auch mit dem spanischen Rohrstock gerächt. Tanzveranstaltungen und Vereinsbälle wurden kaum noch geduldet und den betreffenden Veranstaltern peinlich übelgenommen. Das vordem in Hardheim beliebte und fleißig geübte Fastnachtstreiben wurde nahezu ausgerottet“.

Joseph Eirich

„Bei manchen Hardheimer ist Thomas Nörber als sehr eifriger aber auch sehr anstrengender Geistlicher in Erinnerung geblieben“, schreibt Pfarrer Johann Schäfer in der 1981 erschienen Broschüre zum 100-jährigen Bestehen der Maria-Hilf-Kapelle in Rüdental.

„Man muss diesen Mann aber auch auf dem Hintergrund seiner Zeit sehen, die in vielem sehr streng war. Man muss ihn vielleicht auch als Nachfolger eines Pfarrers verstehen, dem manchen Hardheimer vorwarfen, nicht streng genug gewesen zu sein“.

Pfarrer Johann Schäfer

Pfarrverweser Dr. Thomas Nörber führte in Hardheim das „Fastnachtstriduum“, als ein 40-stündiges Gebet ein. Dieses 40-stündige Gebet sollte der Buße und Besinnung dienen und fiel in Hardheim auf die Tage von Fastnachtssonntag, Rosenmontag und bis 14 Uhr am Fastnachtsdienstag. Als Erzbischof führte er das 40-stündige Gebet später in allen Pfarreien seiner Diözese ein.

Über das Fastnachtstriduum nach dem Weggang von Thomas Nörber berichtete der ehemalige Postbeamte Karl Steigerwald, der als Junge erlebt hatte, dass der „ganze Odenwald“ nach Hardheim gekommen sei, um die Predigten von Patres aus Würzburg im Rahmen der „Ewigen Anbetung“ zu hören. Es seien in der Kirche zwei weitere Beichtstühle aufgebaut gewesen und vor der Marien- und Josefstatue seien zusätzliche Altäre aufgebaut worden, wo auswärtige Geistliche heilige Messen lasen.

Für Hardheims Jugend beendete das Fastnachtstriduum das Ende des närrischen Treibens und die Fastnachtsumzüge durch die Erftalgemeinde konnten bis 1960 erst nach dem Ende der Betstunden um 14 Uhr beginnen; für die jeweiligen Erstkommunikanten galt in diesem Jahr absolutes Verbot von Kostümierung und Narretei. Das wurde von der Religionsschwester Prudentissima (alle Kinder nannten sie „Grille“), strengstens überwacht, die den Kindern von einem unverheirateten Burgfräulein berichtete, das durch eine großzügige Stiftung um Gebete für ihr Seelenheil bat. Und auch der Ortsgeistliche, Dekan und Geistlicher Rat Josef Heck berichtete stets „von einer 100jährigen Tradition“. Erst ein langjähriger Streit, der sogar die Gerichte beschäftigte und bundesweit bekannt wurde, endete das Verbot der Veranstaltungen an den Fastnachtstagen und nach dem Wechsel vom Geistlichen Rat Josef Heck auf Pfarrer Johann Schäfer als Ortsgeistlicher in 1972 wurde der Beginn der Betstunden in 1973 auf Beschluss des Pfarrgemeinderats nicht an den Fastnachtstagen sondern zwischen dem Aschermittwoch und dem ersten Fastensonntag verlegt und aus dem Fastnachts-triduum wurde ein Fastentriduum. 

Dennoch war der Geistliche Nörber für einige Hardheimer Christen nicht streng genug und sie intervenierten beim Bischof gegen ihn wie das bereits bei seinem Vorgänger Pfarrer Jakob Prailes der Fall war.

Dr. Thomas Nörber mag zwar als Geistlicher bei seinen Mitmenschen unterschiedlich in Erinnerung geblieben zu sein. Professor Julius Rapp, wohl der beste Kenner der Hardheimer Geschichte fasste zusammen, in dem er schrieb:

„Dr. Thomas Nörber ist einer der bedeutendsten Männer des badischen Frankenlandes“.

Prof. Julius Rapp

Allein die stete Bereitschaft, alles für seine Pfarrgemeinde zu leisten, ist ihm hoch anzurechnen. Diese schwierige Zeit in Hardheim und sein Einsatz als Kaplan in Mannheim bei der seinerzeit dort herrschenden Blatternepidemie schwächte seine Gesundheit, weshalb er sich versetzen lies um schließlich als Beichtvater eines Frauenordens Ruhe zu finden und Kräfte zu tanken. Nach seiner Inthronisierung als Bischof konnte er die gewonnen Kräfte gut nutzen und erreichte in seiner fast 22-jährigen Amtszeit als Erzbischof das völlige Ende des Kulturkampfes in Baden und kurz vor seinem Tode die Wiederzulassung von Männerorden im Großherzogtum. Dr. Thomas Nörber gilt heute immer noch als einer der bedeutendsten Oberhirten der Erzdiözese Freiburg.

Hans Sieber


Verwendete Literatur:

  • Badenia AG: Sonderdruck „Zur Consecration und Inthronisation“ seiner Excellenz, der hochwürdigen Herrn Erzbischofs am 29.98.1898
  • Herder-Verlag: Lthk – Lexikon für Theologie und Kirche
  • Schäfer, Johann, Monsignore: 100 Jahre Mariahilf-Kapelle Rüdental 1981
  • Schäfer, Johann, Monsignore: 100 Jahre Kapelle „Heilige Familie“ in Vollmersdorf 1980
  • Wollenschläger, Rainer: Waldstetten im Bauland 1247 – 1997      

Hintergrundinformation

Kulturkampf

Mit dem Erlass kirchenfeindlicher Gesetze am 27.3.1854 begann der Badische Staat den Kulturkampf. Mit dem Prozess gegen den Freiburger Erzbischof Hermann von Vicari in den Jahren 1854 bis 1859 erreichte er den ersten Höhepunkt. Vordergründig ging es bei diesem Kampf zwischen Kirche und Staat um die Verstaatlichung von Klöstern und Ordenseigentum, um eine neue Studienordnung für Priesteramtskandidaten, um einen angeblichen Amtsmissbrauch des Erzbischofs und die Zulassung zum Priesterdienst in der Kirche erst durch eine staatliche Prüfung und Ernennung durch den Großherzog. In Wirklichkeit versuchte der Staat die katholische Kirche in Baden z. B. durch die Zensur der Hirtenbriefe, die Unterbindung der bischöflichen Kontakte nach Rom, Verbot des Freitagsgebots zu bevormunden. Erst in 1888 wurde in Baden der Kulturkampf durch Ausgleichsverhandlungen beendet.

Hardheim spürt diesen Kulturkampf mit der ursprünglichen Nichtgenehmigung der Neubauten der Kapellen in Rüdental und Vollmersdorf. Auch der Neupriester Albert Pfender, in 1874 als Kaplan nach Hardheim eingewiesen, wurde wegen seiner priesterlichen Arbeit wiederholt verhaftet und verurteilt.  

Pfarrverweser

In der Zeit des Kulturkampfes in Baden, als die großherzogliche Regierung sich das Recht nahm, Pfarrer nach einer staatlichen Prüfung in ein Amt zu berufen, behalfen sich die seinerzeitigen Erzbischöfe Pfarrverweser einzusetzen, denn die waren ja schließlich keine Pfarrer.  Deshalb wurde Nörber erst 1889 zum Pfarrer bestellt. Allerdings ist die Stellung eines Pfarrverwesers der eines Pfarrers nach dem katholischen Kirchenrecht (CIC) gleich.



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